Hallo zusammen,
herzlichen Dank für eure Rückmeldungen und die Frage.
Zum evangelischen Verständnis hier ein Link:
Deutung des Todes Jesu.
Für mich ist die evangelische Kirche geistige Heimat geworden, weil sie in ihrem Wesenskern Freiheit und Diskurs zulässt, ohne dabei beliebig zu sein. Ein überaus großer Schatz! Sie ist kein Ideal, aber für mich die beste Variante von kirchlicher Organisation und Glaubensgemeinschaft, die mir seither untergekommen ist; und dabei in vielen Teilen schlecht und furchtbar genug. Da ich tiefen Einblick nehmen konnte, weiß ich wovon ich rede.
Kirche muss aus meiner Sicht immer den Anspruch haben, Volkskirche zu sein. Volkskirche in dem Sinn, dass sie sich den Auftrag Jesu zu Herzen nimmt und versucht als Gemeinschaft immer für alle Menschen einer Gesellschaft da, ansprechbar, erreichbar und berührbar zu sein. Mir ist dabei sehr bewusst, dass das Kirche nicht sehr oft lebt, aber sie hat wenigstens den Anspruch an sich. Und auch sie wird daran gemessen werden.
Nun zur eigentlichen Frage von Musikuss, die ich aus meiner sehr persönlichen Sicht beantworte:
Die evangelische Kirche hat eine offizielle Lehrmeinung, um die immer wieder gestritten wird; und sie hat sehr viele verschiedene Ausprägungen und Schattierungen. Dazu kommen dann persönliche Einsichten, Meinungen und Lehransichten von Theologen und Pfarrern, sowie der Gläubigen. Das ist ein bunter Haufen, wenn ich das mal so salopp sagen darf. Aber einfach auch sehr ehrlich. Und ich persönlich bin dadurch dazu aufgefordert mir meine eigenen Gedanken zu machen und zu meiner persönlichen Glaubenseinsicht zu kommen. Diese wird sich auch stetig entwickeln und verändern.
Ich empfinde das als große Freiheit und Verantwortung. Das tut mir sehr gut.
Wie sehe ich heute Jesu Leben, Tod und Auferstehung?
Grundsätzlich lese ich, was die Evangelisten in ihrer Theologie von Jesus überliefern und gleichzeitig deuten. Sie haben keine Geschichtsschreibung vorgenommen, sondern ihre rückblickende Sicht auf Jesu Leben und Lehre vermittelt, daraus ihr Evangelium geschrieben.
Und ich frage mich, was den Unterschied ausmacht, wenn ich glaube, dass Jesus den Sühnetod zu unserer Erlösung sterben musste oder als Passahlamm oder als Loskauf oder als reines Erlösungsgeschehen für den Menschen oder ... Es ändert nichts an dem Fakt, wie Gott Tod und Auferstehung Jesu für sich und uns bestimmt hat. Ich werde hier immer nur ein Stückwerk davon sehen und erkennen. Aber das ändert doch nichts an seiner Wirkmacht. Das Kreuz ist und bleibt Geheimnis und Offenbarung zugleich.
Diese Formulierung aus oben gemachter Verlinkung gefällt mir sehr gut:
".. Jesu Tod am Kreuz ist das Ende aller Gottesbilder. Es erzählt von dem wahren Gott, der mit den Mitteln der Vernunft nicht zu fassen ist. Es redet von einem Gott, der berührbar ist, der sich in seiner ganzen souveränen Freiheit ins Menschsein hat verwickeln lassen, bis in den Tod. Aus Liebe ist Gott Mensch geworden, am Kreuz durch die Gewalt von Menschen gestorben und danach auferstanden. Gott hat sich aus Liebe hingegeben, gerade darin ist er Gott. Das Kreuz Jesu ist damit auch der Erkenntnisgrund aller wahren Rede vom Menschen. .."
Entscheidend ist für mich, dass Jesus als Menschen- und Gottessohn über das Ende am Kreuz hinaus, durch den Tod hindurch, auferstanden ist.
Mir persönlich ist dabei in den letzten zwei Jahren sehr wichtig und bedeutend geworden, dass Gott im Gegenüber berührbar ist und sich in der Beziehung von Ich und Du ereignet. So verstehe ich zumindest auch Jesu Leben und Lehre, die in den Evangelien überlieferten Zeugnisse von Heilung und Bekehrung.
Als meine Aufgabe verstehe ich, darin Jesu, soweit es mir möglich ist und geschenkt wird, nachzufolgen. Nicht mit Dogmen oder Lehrsätzen das Gegenüber zu wiegen und darüber zu urteilen, sondern Begegnung, Beziehung und Heilung zu ermöglichen. Da ist aus meiner Sicht unerheblich, ob und wie ich den Kreuzestod Jesu erfassen kann. Es zählt doch nur, dass ich Gottes Gnade bedingungslos annehme und seinen Willen tue.
"Denn wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter."
Mt 12, 50
So, das als erster Einstig in das Gespräch.
LG
Andreas