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von Maximin » 05.01.2008, 19:15
Teil 2 - Neuapostolisch, was ist das?
Seit mich mein Vater mit 2 1/2 Jahren in die Neuapostolische Kirche (NAK) hineingeführt hat, ging es, so lange ich denken kann, um drei wesentliche Besonderheiten, die sie grundlegend von anderen christlichen Kirchen unterscheidet:
· Die heutigen Apostel als alleinige Träger und Vermittler des Heiligen Geistes.
· Die nahe Wiederkunft Jesu zur ersten Auferstehung und die Entrückung der treugebliebenen (NAK-) Christen.
· Dass alle anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften zwar ausnahmslos "gottesdiensttreibende Geister" (Diktion NAK), die ihnen angehören aber nicht auserwählte Gotteskinder und Geistesträger sind und sie deshalb in das Endgericht müssen.
Das habe ich gewissermaßen mit der Muttermilch in mich aufgenommen, geglaubt und schließlich selber gepredigt. Schon als Jugendlichem ist mir klar geworden, dass der Absolutheitsanspruch der NAK, so sehr ihm von allen anderen christlichen Kirchen, Gemeinschaften und sonstigen klugen Größen widersprochen wird, durchaus biblische Hintergründe hat, vor allem jedoch, angesichts der Zustände in anderen christlichen Abteilungen, Sehnsucht nach Heilsgewissheit ausdrückt und lange verdrängte christliche Grundlagen wiederbeleben möchte.
Und nun trifft so ein junger neuapostolischer Christ bereits als Knabe auf Oma, Opa, Onkel und Tante die nicht neuapostolisch sondern "Freikirchler (Baptisten)“ sind. Er erlebt bei denen auch echte Gläubigkeit, biblische Hintergründe und gleichfalls Sehnsucht nach Heilsgewissheit. Nicht nur bei lieben nahen Verwandten. Er trifft in seinem weiteren Erden- und Glaubenslauf noch viele andere christliche Leute, bei denen das alles ebenso ist, so glaubhaft und echt, so wahrhaftig und voller Jesustreue.
Irgendwann muss sich dieser junge Mensch entscheiden. Hat er überhaupt eine Chance? Er tut das was ihm gesagt wird: "Glaube und folge nach, zweifle und weiche nicht, nicht einen Zentimeter, sonst gehst du für Gottes Reich verloren". Also bemüht er sich, getreu seines neuapostolischen Glaubens zu leben. Fragen oder gar Zweifel sind nicht zulässig. Eine ernsthafte Auseinandersetzung findet nicht bzw. mit zunehmend schlechtem Gewissen heimlich, in seinem Inneren, statt. Es entsteht eine schützende Fassade. Das "so tun als ob" wird Bestandteil seiner Persönlichkeit; eben besser "fassadär" als "Ichverlust".
Wenn der jetzt oberflächlich veranlagt ist, dann wird der mit seinem neuapostolischen Glaubensbekenntnis entweder ganz gut zurechtkommen, vielleicht sogar in der Ämterhierarchie seiner Laienkirche aufsteigen, oder eines Tages an überhaupt nichts mehr glauben. Das ist er aber nicht, oberflächlich. Er will es genau wissen. Er fängt an, nach Antworten auf tausend und eine unbeantwortete Frage zu suchen. Vergeblich. Überall Menschen, Menschenmeinungen, Menschenirrtümer, Menschenstreitigkeiten, sowie prophetische Pleiten und Pannen.
Dr. Helmut Obst, Prof. für Ökumenik, Konfessionskunde und Allgemeine Religionsgeschichte an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, führt am Schluss seiner als wissenschaftlich zuverlässig apostrophierten Abhandlung: Neuapostolische Kirche, die exklusive Endzeitkirche - 1996 - F. Bahn-Verlag, ISBN 3-7615-4945-8, Bestellnummer 154 945, folgendes aus:
"Ist die für die NAK zentrale und konstitutive Lehre vom Apostel- und Stammapostelamt biblisch und wahr, dann ist die NAK die Kirche Jesu Christi auf Erden, ist sie die endzeitliche Schlusskirche; ist diese Lehre falsch, dann erweist sich die NAK als eine auf menschliche Anmaßung und auf Missverständnis der Bibel aufgebaute Gemeinschaft".
Sehen Sie, und in dieser Sonderkirche habe ich von 1948 bis 2001 gelebt, geglaubt und mich dort jahrzehntelang sicher und geborgen gefühlt. Nun spricht aber der evangelische Professor Obst von menschlicher Anmaßung und Missverständnis der Bibel. Wer mehr über diese Sonderkirche wissen will, der lese Obsts Buch. Ich möchte ihnen aber doch einige wenige Punkte nennen, die Professor Obst meint:
Im Gegensatz zur evangelischen Kirche gibt es in der NAK 10 Glaubensartikel. Mit wenigen Abwandlungen sind die ersten 3 beinahe identisch. Ich möchte Ihnen den 2. Glaubensartikel der NAK vortragen:
„Ich glaube an Jesum Christum, Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn, der empfangen ist von dem Heiligen Geist, geboren von Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt , gestorben, begraben, eingegangen in das Reich der Entschlafenen, auferstanden von den Toten, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur rechten Hand Gottes, des allmächtigen Vaters, von dannen er wiederkommen wird.“
Ist Ihnen etwas aufgefallen? Ja? Richtig, da fehlt doch etwas! Es fehlt der abschließende Halbsatz: ... „zu richten die lebenden und Toten“. Und genau dieser von der NAK weggelassene Halbsatz aus dem "Apostolischen Glaubensbekenntnis“ von 390 n. Chr. ist einer der wichtigsten Unterschiede zu nahezu allen anderen einigermaßen ernstzunehmenden christlichen Kirchen und Gemeinschaften.
Aber warum lassen die Neuapostolischen das Endgericht weg obwohl es im Neuen Testament beschrieben wird? Weshalb die neuapostolischen Christen glauben, nicht in am Endgericht teilnehmen zu müssen, das beschreibt ihr 9. Glaubensartikel:
„Ich glaube, dass der Herr Jesus so gewiss wiederkommen wird, wie er gen Himmel gefahren ist, und die Toten in Christo sowie die lebenden Brautseelen, die auf sein Kommen hofften und zubereitet wurden, verwandelt und zu sich nimmt, dass er nach der Hochzeit im Himmel mit diesen auf die Erde zurückkommt, sein Friedensreich aufrichtet und sie mit ihm als Könige und Priester regieren. Nach Abschluss des Friedensreiches wird er das Endgericht halten, wo alle Seelen, die nicht an der Ersten Auferstehung teilhatten, ihr Teil empfangen, wie sie gehandelt haben, es sei gut oder böse“.
Sehen Sie, ich glaubte ganz fest daran, dass ich in der NAK auf die Wiederkunft Jesu (die erste Auferstehung / Parusie / Entrückung) zubereitet werde, so wie es da steht. Wer nimmt denn nun aber die Vorbereitung der Gläubigen in der NAK vor? Hören Sie dazu zwei weitere Glaubensartikel der NAK:
„4. Glaubensartikel:
Ich glaube, dass der Herr Jesus seine Kirche durch lebende Apostel regiert bis zu seinem Wiederkommen, dass er seine Apostel gesandt hat und noch sendet mit dem Auftrag, zu lehren, in seinem Namen Sünden zu vergeben und mit Wasser und dem Heiligen Geist zu taufen.
10. Glaubensartikel:
Ich glaube, dass sämtliche Ämter in der Kirche Christi nur von Aposteln erwählt und in ihr Amt eingesetzt werden und dass aus dem Apostelamt Christi sämtliche Gaben und Kräfte hervorgehen müssen, auf dass, mit ihnen ausgerüstet, die Gemeinde ein lesbarer Brief Christi werde“.
Ich lasse das jetzt mal so stehen und sage Ihnen lieber, was dieser Glaube mit mir gemacht hat:
So lange ich "der" allein selig machenden Kirche angehöre und ihren Glaubensstatuten kindlich gläubig vertraue, so lange kann ich mich in Sicherheit wiegen. Mit ihren ständigen Warnungen vor Fragen und Zweifeln beschützt sie mich gewissermaßen vor mir selbst. Aber gerade dieser Schutzmechanismus löste bei mir das aus, was er eigentlich verhindern sollte: Fragen, schlechtes Gewissen, Zweifel, seelischen Druck und Angst. Vorsichtige Hilferufe begegneten zunächst der augenzwinkernden Selbstverständlichkeit, dass man "Gift" (fremde christliche Lehren) eben nicht probiert.
Dann folgten ernste Warnungen vor Unglaube und Abfall und schließlich seelsorgerischer Liebesentzug. Letztlich bin ich selber schuld. Selbstvorwürfe und abnehmendes Selbstwertgefühl reichern diese Mischung an. So macht man aus Uran lebensgefährliches Plutonium…
Die 2000jährige Kirchengeschichte ist voll von Irrtümern und Kehrtwendungen. Die rd. 170jährige Geschichte meiner allein selig machenden Apostelkirche hat auch viele kräftige Irrtümer durchlitten, aber sie hat ihre Kehrtwendungen stets auf den einzelnen Gläubigen abgewälzt. Jesus hat Fragen nicht nur zugelassen sondern sie sogar provoziert. ER hat jedoch Fragen überzeugend beantwortet, Zweifel ausgeräumt, Seelenstürme befriedet und nicht nur organische Krankheiten geheilt...
Die NAK wurde lange als eine „irrlehrende“ Sekte abgetan und ihre selbst auferlegte Isolation bestätigt diese Bewertung leider bis heute. Inzwischen gehen die anderen Großkirchen mit ihr allerdings etwas milder um, wenn sie die NAK eine Sonderkirche nennen und sie im Sinne des ökumenischen Gedankens einladen, ihre Sonderlehre zu überdenken, um dann miteinander in versöhnter Verschiedenheit zusammen zu leben.
Dass die NAK diese gut gemeinte Einladung bisher nicht annehmen kann liegt zweifellos auch daran, dass sich ihre Leitung davor fürchtet, den einmal erhobenen Alleinvertretungsanspruch nicht aufgeben zu können, ohne damit gleichzeitig das ganze Glaubensgefüge zum Einsturz zu bringen und weltweit rd.10 Millionen Kirchenmitglieder in eine geistliche Ungewissheit zu entlassen.
Auf diese Weise bleibt man Gefangener seiner eigenen Glaubensgrundsätze, selbst dann, wenn in vielen aufrechten Neuapostolischen die Richtigkeit des Alleinvertretungsanspruchs zunehmend infrage gestellt und nach neuen Wegen gesucht wird, sich aus der unsäglichen Sektenecke zu befreien.
Die NAK betrachtet sich mit dem in ihr wieder aufgerichteten Apostelamt bis heute als die Fortsetzung der urchristlichen Gemeinden, wie sie von den hl. Aposteln Petrus, Johannes, Jakobus, Paulus und anderen von Jesu bevollmächtigt ausgesandten Jüngern begründet worden waren. Nicht nur das. Den neuapostolischen Christen wird Sonntag für Sonntag gepredigt, dass nur sie zum auserwählten Volk Gottes zählen, dass sie an die Stelle des alten Bundesvolkes, den Israeliten, getreten ist.
Ist es da nicht leicht verständlich, wenn sich selbst inzwischen heftig zweifelnde Neuapostolische davor scheuen, den beschützenden Schoß der heiligen Mutter Kirche zu verlassen, ihren Aposteln nicht mehr blindlings nachzufolgen, Widerspruch laut werden zu lassen, und dann, wenn es gar nicht mehr anders geht, versucht wird, das Seelenheil anderswo zu suchen? Und selbst wenn sie es denn wagen: Wohin sollten sie sich flüchten in ihrer Not? Inzwischen zählt man weltweit über 1.000 verschieden verfasste christliche Denominationen und es kommen Jahr für Jahr immer noch neue hinzu...
Zuletzt geändert von Maximin am 29.04.2009, 07:45, insgesamt 2-mal geändert.