@ Werter Centaurea (zgl. Maximin und Adler)centaurea hat geschrieben:Cemper,
2 Fragen an Sie, den Experten, und eine Bitte an Sie (durchaus im Kontext des hier besprochenen Themas):
1. Frage:
Kann ein ungebildeter Christ schlicht glauben und dadurch in den Himmel kommen? Wie schätzen Sie das persönlich ein und warum?
2. Frage:
Der Bibel nach, hat Jesus gerne aus der Schrift zitiert. Darf ein gläubiger, aber in der Theologie ungebildeter, Christ die Schriften (Bibel) zur Hand nehmen, diese lesen wie sie sind und sich darauf berufen oder sollte er es besser lassen? Was ist Ihre ganz persönliche Meinung dazu und wie begründen Sie dies.
Bitte:
Geben Sie uns bitte von Ihrem zweifelsohne tiefgründigen Wissen ab!
Zu den vielen Fragen, die wir alle haben, fehlen uns einfach viel zu oft die prägnant begründeten und verständlichen Antworten.
Vielleicht können Sie da etwas Licht in unser Dunkel bringen!?
Ich würde mich herzlich darüber freuen.
Andreas
Zunächst eine Vorbemerkung: Sie nennen mich Experte. Das ist aber nicht richtig. Ich habe während der Studienzeit theol. Vorlesungen und Seminare besucht und Fachliteratur gelesen. Das habe ich später fortgesetzt. Dann hatte ich im Zusammenhang meiner Arbeit (teilweise kirchlich) mit Theologen aus der Theorie und der Praxis zu tun. Dadurch bin ich aber kein Experte geworden. Andererseits ist es so, dass ich rein zufällig mal etwas kapiert habe und gelegentlich (eher selten) Referent in kirchlichen Akademien und Autor in theol. Publikationen war oder bin; das kann man aber nicht „hoch bewerten“.
Der Begriff „Experte“ ist übrigens „so eine Sache“. Alle Menschen sind auf fast allen Gebieten Laien. Nur einige Menschen sind auf einigen Gebieten Experten - und zugleich auf fast allen anderen Gebieten nicht. Sodann: Es gibt viele Fragen, auf die der Laie und der Experte Antworten geben sollte. Dazu gehört das Thema „Glaube“. Hier muss ja jeder selber eine Meinung haben und sich entscheiden - sei er Laie oder Experte. Ähnlich ist es zum Beispiel bei Fragen zur Gestaltung einer guten und gerechten Ordnung einer Gesellschaft bis hin zu Fragen der Städteplanung und Architektur (familiengerechte Wohnraumgestaltungen usw.). Auch hier ist doch die Meinung der Laien und der Experten wichtig. Also - eine Gegenüberstellung mit dem Unterton der Ab- oder Aufwertung ist problematisch. Zugleich ist es aber so: Jeder kann als Laie versuchen, gesund zu leben; wenn er dann erkrankt und eine komplizierte Operation notwendig wird, dann braucht man den Experten. Ich habe jedenfalls noch nicht gehört, dass der Portier eines Krankenhauses mit einem Schraubenzieher mal nebenbei einen Herzklappenfehler operiert. Mit der Theologie ist es ähnlich. Da gibt es auch Spezialisten. Aber auf dem Gebiet des Glaubens meinen Laien schon mal, sie könnten den Fachleuten die Glaubensprobleme erklären und über Fachliteratur lachen.
Soweit eine kleine Vorbemerkung. Zu Ihren Fragen:
Ich muss Ihnen leider sagen, dass ich die Frage „Kann ein ungebildeter Christ schlicht glauben und dadurch in den Himmel kommen?“ nicht „wirklich verstehe“. Was ist denn ein „ungebildeter Christ“? Was heißt „schlicht glauben“? Und was heißt „schlicht glauben und dadurch in den Himmel kommen“? Ich kann mir wirklich nicht so recht vorstellen, was mit den Formulierungen gemeint sein soll. Ich will aber trotzdem einige Gedanken andeuten.
Menschen können nur so glauben kann, wie sie es können. Das ist banal, aber man sollte es sich bewusst machen. Der „gebildete Christ“ - was immer das sein mag - glaubt in seinem „Bildungshorizont“. Der „ungebildete Christ“ - was immer das sein mag - glaubt auf seine Weise. In den existenziellen Fragen des Lebens und des Todes sind beide - jedenfalls vermute ich das - gar nicht so unterschiedlich. Wenn ich einmal zwei Erfahrungen erwähnen darf: Ich habe mal am Krankenbett eines bekannten ev. Theologieprofessors gesessen. Der Mann kann wohl „gebildeter Christ“ genannt werden. Jedenfalls war er Experte und als solcher fachlich anerkannt. Schüler von ihm sitzen auf mehr oder weniger wichtigen Stellen in der Kirche und der Wissenschaft. Der Mann hatte eine tödliche Krankheit. Ich habe ihn gefragt: „Was ist denn nun mit Deiner Theologie?“ Seine Antwort: „Die kannst Du Dir ans Knie nageln.“ Ich habe auch mal am Krankenbett eines Vorstehers einer neuap. Kirchengemeinde gesessen. Auch er hatte eine tödliche Krankheit. Dieser Mann war kein gebildeter Christ in der Art des Theologieprofessors. Man kann sogar sagen, dass er von Theologie keine Ahnung hatte. Aber einen „ungebildeten Christen“ würde ich ihn nicht nennen. Er hat gern gelebt. Er war ein freudiger Mensch. Er war fleißig und hilfsbereit - ein Segen für seine Umgebung. Und er war gläubig. Er hat mich auf dem Krankenbett angeschaut und gesagt: „Ich habe einen Wunsch: Der liebe Gott möge mir meinen Glauben erhalten.
Kommt der eine in den Himmel und der andere nicht?
Der Theologieprofessor konnte beispielsweise zu jedem Satz oder Teilsatz des Vater-Unser-Gebetes und des Glaubensbekenntnisses einen gelehrten Vortrag halten. Lesen Sie mal die unten eingestellten bekannten Texte und stellen Sie sich dabei vor, Sie müssten über jeden Satz/Teilsatz 45 Minuten gehaltvoll sprechen - also z.B. 45 Minuten über „Vater unser im Himmel“ oder 45 Minuten über „Dein Reich komme“ oder 45 Minuten über „Ich glaube an Gott“. Lesen Sie mal die ganzen Texte und stellen Sie sich das vor:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.
Ich glaube an Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde.
Und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
empfangen durch den Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden,
Auferstehung der Toten
und das ewige Leben.
Amen.
Der Theologieprofessor konnte - wie gesagt - solche Vorträge halten. Der neuap. Gemeindevorsteher konnte das nicht. Aber für die Frage „in den Himmel kommen“ macht das meiner Meinung nach keinen Unterschied.
Freilich ist zu fragen, was Sie eigentlich meinen, wenn Sie „in den Himmel kommen“ sagen. Was ist darunter zu verstehen? Ich frage so, weil Sie in Ihrer Frage vom Zugang der Christen zum Himmel sprechen - und da stellt sich dann die Frage, welchen Zugang „die anderen“ haben: die Nichtchristen: die Menschen aus anderen Religionen und diversen Weltanschauungen - etwa der Jude, der Moslem, der Atheist. Ist der Himmel - so es ihn denn gibt - den Nichtchristen versperrt? Haben die jeweils eigene Himmel?
Glauben Sie, dass es da Unterschiede gibt? Glauben Sie, dass der „Zugang zum Himmel oder „zu Gott“ weltreligiös und weltanschaulich zu differenzieren ist? Hier - in der „irdischen Welt des Glaubens und Denkens“ - ist das wohl so. Da lebt jeder in einer über Jahrhunderte geprägten und überlieferten Kultur und Religion/Weltanschauung. Jeder hat in diesen Zusammenhängen eine für sein Leben „bewährte“ oder auch untaugliche Glaubens- oder Unglaubensweise. Vielleicht hat er sie sogar im Leben und im Sterben. Aber jenseits dieser irdischen Welt des Glaubens und Denkens ist es nach meiner Meinung so nicht. Vor Gott oder „im Himmel“ sind alle gleich.
Wenn ich sage „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“, dann verstehe ich Gott als „Schöpfer“ und - soweit es um Religion geht - nicht nur als Schöpfer des Judentums und des Christentums. Nein, Gott umfasst und erfasst alles - und dann sind für mich alle Menschen seine Geschöpfe und meine Schwestern und Brüder. Übrigens ist im Vaterunser nicht davon die Rede, dass wir in den Himmel kommen, sondern dass „sein Reich kommen soll“.
Wir müssen auch die Frage stellen, was wir eigentlich meinen, wenn wir vom Himmel sprechen. Wahrscheinlich können wir uns „Himmel“ ohne „Gott“ nicht vorstellen oder an den Himmel nicht glauben, ohne zugleich an Gott zu glauben. Aber was meinen wir dann? Denken wir dann „nur“ an den Gott der Christen? Und was hieße das überhaupt? Meinen wir einen personalen Gott? Kann man Zugang zum christlichen Glauben nur finden, wenn man ein personales Gottesbild hat und - wie Maximin erklärt - an die Auferstehung glaubt? Ist dann etwa der Theologe Bonhoeffer kein Christ, weil er uns sagte „einen Gott, den es gibt, gibt es nicht“? Oder ist jemand kein Christ, wenn er an die Auferstehung nur in dem Sinne glaubt, den Paulus im Römerbrief (Ende achtes Kap.) so beschreibt? Es heißt dort:
„ 38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“
Dieser Text ist ja auch ein Auferstehungstext, aber nicht in der Art der Evangelien, die erst nach Paulus entstanden sind und die er folglich nicht kannte.
Ich kann für mich sagen, dass ich Schwierigkeiten habe, einen „Glaubensinhalt“ zu glauben, den ich nicht auch denkend verstehen kann; damit sage ich nicht, dass ich den Glaubensinhalt „zu Ende“ denken möchte, nein, es geht „nur“ darum, gewisse und in Worte fassbare Erklärungen zu haben und sozusagen „eine Logik“ des Glaubens zu erahnen, damit ich nicht in abstrusen Aberglauben „rutsche“ und erkenne, wo meine Grenzen sind: wo das vernünftige Glauben das Denken ersetzt.
Sie schreiben dann in einem zweiten Punkt: „Der Bibel nach, hat Jesus gerne aus der Schrift zitiert. Darf ein gläubiger, aber in der Theologie ungebildeter, Christ die Schriften (Bibel) zur Hand nehmen, diese lesen wie sie sind und sich darauf berufen oder sollte er es besser lassen? Was ist Ihre ganz persönliche Meinung dazu und wie begründen Sie dies.“
Welche Frage ... Selbstverständlich darf jeder die Bibel zur Hand nehmen und lesen. Das Problem ist aber: Sie schreiben, „die Schriften lesen, wie sie sind“. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie sind sie denn? An dieser Stelle kommen wir wieder zu den Punkten, die ich im Eintrag für Maximin und zuvor in einem Eintrag an Bedenkenträger erwähnt habe: die vielen Zugänge zur Bibel - zum Beispiel den historisch-kritischen, den evangelikal-reformatorischen, den systematisch-theologischen, den feministischen, den befreiungsthelogischen, den tiefenpsychologischen, den jüdischen oder auch den neuapostolischen Zugang. Und vielleicht auch noch den (privatreligiösen) Zugang von Maximin und Kollegen.
Wenn wir die hier entstehenden Fragen zum Schriftverständnis ernsthaft diskutieren, wenn wir also fragen, wie ein Text wirklich ist oder wirklich zu verstehen ist und was er den Menschen in unterschiedlichen Zeiten und Situationen sagen kann oder sagen soll, dann brauchen wir Sachverstand und viel Zeit und Raum. Das alles haben wir hier - in einem solchen Forum - nicht. Und wenn wir das alles hätten, würden wir die Probleme auch nicht lösen.
In einem Forum können wir vielleicht in Ansätzen manche Problematik ansprechen und sichtbar machen. Ein einfaches Beispiel ist die Geschichte von der Speisung der 5000. Da werden mit einigen Broten und Fischen 5000 Menschen versorgt. Im Neuen Testament wird davon in allen Evangelien berichtet (insgesamt sechsmal). Die Geschichte ist also allen Autoren der Evangelien wichtig. Aber was wird uns denn dort erzählt? Ein Wunder, das sich tatsächlich ereignet hat? Für den bibelgläubigen Fundamentalisten ist das wohl so. Da vermehrt Jesus ein paar Brote - und 5000 werden satt. Für mich ist das überhaupt nicht klar. Für mich ist das eine Geschichte, ein Mythos, der uns sagen soll: Gott, gib denen Brot, die Hunger haben, und gib Hunger nach Gerechtigkeit denen, die Brot haben. Und das ist dann als Forderung an mich und Dich zu verstehen. Übrigens brauche ich dazu aber keine Aufforderung durch die Bibel. Ich weiß das auch so. Ansonsten frage ich diejenigen, die an Wunder dieser Art glauben, warum es solche Wunder nicht öfter gibt; die etwa 30.000 Kinder, die täglich verhungern, könnten solche Wunder gut gebrauchen.
Ein anderes Beispiel wäre die Frage, wie dieser Text „wirklich ist“: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune.“ Das steht im 1. Korintherbrief (15,51–57). Was heißt das wirklich? Heißt das, dass Paulus sich geirrt hat? Oder ... ist der Brief nicht von Paulus? Ich möchte mal den sehen, der solche Fragen ohne lange fachliche Ausbildung beantworten kann.
Das kann man nicht. Man kann bestenfalls seine privaten und zumeist unqualifizierten Vorstellungen mitteilen. Aber gleichwohl ist es schon gut oder kann es zumindest gut sein, wenn ungebildete und gebildete Christen die Bibel lesen und - zum Beispiel - versuchen, den tieferen Sinn dieses Textes aus dem 1. Korintherbrief (13. Kapitel) zu erkennen:
„1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen1 und hätte die Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze. 4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. 8 Die Liebe hört niemals auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird. 9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. 12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin. 13 Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“
Es ist auch gut, wenn gebildete und ungebildete Christen den schon erwähnten Text aus dem Römerbrief bedenken: „ 38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“
Mir ist der tiefere Sinn dieser Texte freilich noch verborgen. Ich bin noch nicht so weit. Vielleicht ist er anderen klar; sie könnten ihn ja hier erläutern ...
Beste Grüße an Sie alle.
Cemper