Also: Hier ist Widersprechen erlaubt. Es kommt immer auf den Ton an.R/S hat geschrieben:Ich widerspreche ungern, aber viele meiner Erfahrungen bestätigen, dass beide vonnöten sind: Der ‚richtige‘ Seelsorger und der verständnisvolle und geschulte Psychologe/Psychotherapeut. Der Grund ist einsichtig:Boris: Hilfe kann im Erkrankungsfall leider tatsächlich nur von medizinisch geschultem Personal kommen.
Auch wenn die Trennung von Psyche und Seele mit Vorsicht zu genießen ist (ganz lässt sie sich aus triftigen Gründen wahrscheinlich überhaupt nicht ausschalten, aber das wäre ein umfangreiches und vor allem anderes Thema), so steht doch fest: Für die Betreffenden fand sie statt und hat sich in ihrem Denken vergeistigt. Solchen Menschen kann selbst ein bestens geschulter Psychologe etc. kaum mit wissenschaftlichen Erkenntnissen bzw. den daraus gewonnen Therapien kommen. Echte Gläubige werden diesen Austausch der Bezugsebene meist schnell durchschauen und dann aus der jahrlange eingetrichterten Angst vor allem ‚Weltlichen‘ etc. heraus abblocken.
Dies hat einerseits damit zu tun, dass religiöser Glauben ein Konstrukt ist, an das ‚echte Gläubige‘ meist keine wissenschaftlichen Mitteln und Methoden ranzulassen gewillt sind und andererseits, weil gerade diejenigen, die diese Hilfe am meisten bräuchten, am stärksten abhängig gemacht wurden von der Vorstellung einer 100-prozentigen Trennung von Glauben und Wissen und Seele und Psyche. In solchen Fällen muss m.E. nach neben der psychologischen Betreuung, welche dazu da ist, Ängste und Bindungen zu lösen, ein ‚echter Seelsorger‘ ein neues und gesundes Glaubensverständnis entwickeln, weil allein das Lösen von Ängsten u.a. Bindungen in aller Regel nicht die innere Leere füllen kann, die ein Loslösen von alten Glaubensmustern unweigerlich hervorruft.
Im Grunde machte Jesus genau das: Loslösen von einer unmenschlichen Gesetzesreligion und Binden an einen liebenden Vatergott. Das eine ist ohne das andere nicht wirklich sinnvoll.
Grundsätzlich klingt die Argumentation gut.
Nur würde ich für einen Genesungsprozess von der Variante Psychologe und Seelsorger abraten. Die Gründe sind ja schon geschildert. Lory beschreibt so schön ein gewisses "Trotzpotential".
Ein so genanntes Trotzpotenzial bedeutet einen Aufwand an Kraft, die ein ernsthaft erkrankter nicht besitzt (Es ist ein Unterschied ob der Hausarzt oder der Facharzt eine Depression diagnostiziert).
Wenn ich mich krankhaft in einer Depression befinde benutze ich die Argumentation eines "richtigen Seelsorgers"(Begriff hier im Bezug auf das Glaubensleben benutzt) um meine Angstzustände zu relativieren. Das gibt für den Augenblick tatsächlich ein Hochgefühl. Allerdings ist nach kurzer Zeit dieses Gefühl wieder weg und die Wirklichkeit hat mich wieder.
Erst sollte ich in der Lage sein, zu erkennen, was mich krank gemacht hat. So kann ich lernen mich in Zukunft zu schützen. Dann kann ich meinen Weg suchen und gehen. Wenn ich das gelernt habe, bin ich in der Lage nach den für mich "richtigen Seelsorgern" zu suchen. Dann habe ich die Kraft .
Im voran von mir kommentierten Fall halte ich es für gefährlich nach Seelsorgern zu suchen. Die Frau hat ihre Angst zum Ausdruck gebracht. Sie hat offensichtlich nicht die Kraft für Experimente. Es ist ratsam, ihre Gefühle zu respektieren. Solange zu respektieren, bis sie endlich gelernt hat:
Ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen, zu respektieren und sie für sich als Maßstab zu setzen. Nach diesem schwierigen Prozess besteht die Möglichkeit für sie, über alles andere nachzudenken.
An die Angehörigen: Bitte nehmt nur professionelle Hilfe in Anspruch. Alles Andere könnt Ihr vorher gar nicht beurteilen. Keiner trägt ein Schild auf seiner Stirn auf dem steht: Ich bin die richtige Hilfe für dich!
Im kaputt machen sind wir Menschen perfekt. Wir sollten unser Opfer dann wenigstens loslassen. Sollten Hilfe zulassen.
Nur meine Ansicht.
LG Boris